
Die Stimmen in dir
In jedem von uns sprechen viele innere Stimmen.
Manche sind freundlich und unterstützend.
Andere treiben uns an, kritisieren – oder flüstern uns ein, dass wir nicht genug sind.
Oft sind diese Stimmen nicht einmal „unsere eigenen“.
Sie entstehen aus Erziehung, gesellschaftlichen Erwartungen, alten Verletzungen und Erfahrungen, die sich tief in uns eingeprägt haben.
Wenn wir lernen, diese Stimmen zu erkennen und zu verstehen, verlieren sie ihre Macht.
Wir können sie würdigen, beruhigen – und ihnen sagen:
„Danke, ich habe dich gehört. Aber ich muss dir nicht folgen.“
Unter all diesen Stimmen liegt etwas Tieferes:
deine wahre innere Stimme – die dich trägt, ermutigt und den Weg kennt.
In den nächsten Schritten schauen wir uns an,
wie die Psychologie diese inneren Anteile beschreibt – und wie du mit einfachen, alltagstauglichen Übungen lernst, sie liebevoll zu integrieren, damit deine wahre Stimme wieder klar und deutlich hörbar wird.
Modelle aus der Psychologie:
In der modernen Psychologie gibt es Modelle, die erklären, warum wir in uns manchmal widersprüchliche Stimmen hören – liebevolle und kritische, motivierende und bremsende.
Zwei der bekanntesten Modelle helfen zu verstehen, woher diese Stimmen kommen und wie wir mit ihnen arbeiten können.
Internal Family System (IFS)
entwickelt von Dr. Richard C. Schwartz in den 1980er Jahren.
Kernaussage: Jeder Mensch besteht aus inneren Anteilen - wie kleine Persönlichkeitsfragmente - die eigene Gedanken, Gefühle und Ziele haben. Oft übernehmen einzelne Anteile die Kontrolle, wenn wir unter Stress stehen.
Ziel: die Anteile bewusst wahrnehmen, ihre Absicht verstehen (oft wollen sie uns schützen) und sie in Einklang bringen, damit das wahre Selbst die Führung übernimmt.
Transaktionsanalyse (TA)
entwickelt von Eric Berne in den 1950er Jahren.
Kernidee: unser Erleben wird durch drei "Ich-Zustände" geprägt:
"Eltern-Ich" - Regeln, Normen, innere Autorität
"Kind-Ich" - Emotionen, Kreativität, Verletzlichkeit
"Erwachsenen-Ich" - Klarheit, Logik, Gegenwartsorientierung
Ziel: diese inneren Zustände wahrzunehmen und bewusst zu steuern, um authentisch und in Balance zu handeln.
Fazit:
Egal, aus welchem Modell du schaust - wenn du die Stimmen in dir verstehst, kannst du entscheiden, wem du das Steuer überlasst.
Beispiele für innere Stimmen
Vielleicht kennst Du dich in einigen der Beispiele hier wieder. Du bist damit nicht allein - viele Menschen versuchen, ihre inneren Stimmen zu übertönen: mit Arbeit, ständiger Beschäftigung, endlosem Scrollen, Shopping, Gaming und vielem mehr.
Kurzfristig mag das Erleichterung bringen. Doch auf Dauer wächst die Gefahr, sich selbst aus den Augen zu verlieren - und nicht mehr zu wissen, woher diese leise, ständige Unzufriedenheit, die innere Unruhe oder sogar Angst wirklich kommen.
Der innere Antreiber
Nur wenn du hart arbeitest, bist du wertvoll.“, “Man bekommt nichts geschenkt”
Diese Stimme entsteht oft aus Leistungsdruck oder familiären Erwartungen. Sie motiviert – aber bringt auch dauerhafte Erschöpfung.
Der innere Kritiker
“Du machst es falsch.“, ”Du bist nichts wert”, “ Habe ich es dir nicht gesagt”, “ Du kannst das nicht”
Diese Stimme resultiert häufig aus Perfektionismus, frühen Bewertungen oder fremden Maßstäben.
Sie blockiert Kreativität und Selbstannahme.
Das verlassene innere Kind
„Ich bin nicht liebenswert.“, “Keiner mag mich”
Diese Stimme kann aus Verwundung, emotionaler Vernachlässigung oder Verlust entstehen. Sie trägt Sehnsucht, aber auch Zweifel.
Die Stimmen-Journaltechnik
Nimm dir jeden Tag 5–10 Minuten und beantworte folgende Fragen:
- Welche Stimmen höre ich in mir? (z. B. „Du bist nicht gut genug“, „Mach schneller“, „Ich brauche Ruhe“)
- Wie klingen sie? (streng, ängstlich, liebevoll …)
- Wovor wollen sie mich schützen?
- Was würde meine wahre, liebevolle innere Stimme dazu sagen?
Ziel:
Klarheit bekommen, dass diese Stimmen Anteile sind – nicht deine gesamte Wahrheit.

Die "Selbst-Verankerung"
Wenn du merkst, dass eine innere Stimme sehr laut wird:
- Halte kurz inne.
- Spüre deine Füße auf dem Boden.
- Atme tief in den Bauch.
- Lege eine Hand aufs Herz und frage: „Was würde mein wahres Selbst jetzt tun?“
Ziel:
Zurück in einen klaren, ruhigen inneren Zustand finden.